Häuserzeile in Gent
Städtereise,  Wochenendtrip

Auf einen Zwischenstopp in Gent

Gent – lohnt sich das denn überhaupt? Die Hauptstadt der Provinz Ostflandern, und mit knapp über 250.000 Einwohnern nach Antwerpen zweitgrößte Stadt in Flandern, wird gerne einmal vergessen wenn es um die sehenswerten Städte in Belgien geht. Aus unserer Sicht völlig zu unrecht, wie wir bei unserem spontanen Besuch am ersten Märzwochenende feststellen konnten. 

Denn mit einem mittelalterlichen Stadtkern überrascht Gent seine Besucher mit einer wohldosierten Mischung romantischer Plätze und Gassen, prachtvoller Häuserfassaden und spektakulärer Sehenswürdigkeiten und zeigt sich dabei als Universitätsstadt mit über 30.000 Studenten gegenüber dem zwar deutlich kleineren, aber gleichzeitig weitaus touristischeren Brügge ebenso lebendig und pittoresk.

Mann erzeugt Seifenblasen in Gent

Belgiens größte autofreie Innenstadt lädt zum Flanieren und Entdecken ein. Die Entfernungen im historischen Zentrum „Kuip“ sind kurz und können bequem zu Fuß erkundet werden. Gents größter Bahnhof „Gent Sint Pieters“ liegt etwa zwei Kilometer abseits der historischen Sehenswürdigkeiten. Von hier aus starten wir unsere Tour mit einem etwa 20-minütigen Spaziergang durch das Bahnhofsviertel, das mit zweckmäßiger Nachkriegsarchitektur aufwartet. Für alle, denen das zu anstrengend ist, fährt vom Bahnhofsvorplatz aus auch eine Straßenbahn ins Zentrum. Innerhalb von knapp vier Stunden standen folgende Sehenswürdigkeiten auf unserer To-Do-Liste für diesen Sonntagnachmittag in Gent:

  • der Blumenmarkt
  • der Korenmarkt
  • der Vrijdagmarkt
  • die Promenade am Leie
  • die Grafenburg
  • sowie die Streetartstaße
Fahrräder am Ufer der Leie

Auf dem zentralen Platz „de Kouter“ findet jeden Sonntag ein Blumenmarkt statt. Die Vielfalt der Pflanzen und Blumen lässt erahnen, warum Gent aufgrund der Lage inmitten eines ausgedehnten Anbaugebietes für Pflanzen und Blumen aller Couleur auch “Blumenstadt” genannt wird. Am blauen Kiosk in der Ecke des Marktes können wir beobachten, wie sich am späten Vormittag Einheimische wie auch Besucher jeden Alters und auch jeder gesellschaftlichen Schicht zum gemeinsamen Austern essen und Sekt trinken einfinden und das Leben genießen. Der ehemalige Zeitungskiosk steht bereits seit über hundert Jahren an dieser Stelle und hat es als einziger seiner Art bis in die heutige Zeit geschafft.

Das Zentrum der Stadt – der Korenmarkt

Das erste, was wir sehen, als wir vom Blumenmarkt kommend den Korenmarkt betreten, ist die 1569 nach über 500 Jahren Bauzeit fertiggestellte St. Bavo Kathedrale. Die St. Bavo Kathedrale oder wie die Belgier sagen die „Sint-Baafskathedraal“, beherbergt im Inneren den berühmten Genter Altar, der als Meisterwerk des Malers Jan van Eyck gilt und zu den wichtigsten Kunstwerken Belgiens gehört. Nicht zuletzt aufgrund der imposanten Decke ist die Kathedrale zudem zu Recht eines der Wahrzeichen der Stadt. Direkt hinter der St. Bravo Kathedrale befindet sich der 95 Meter hohe Belfried von Gent. Das imposante Gebäude, das seit 1999 Teil des Unesco Weltkulturerbes “Flämische Belfriede” ist, ist der mittlere Turm der berühmten Genter Turmreihe und steht zwischen der St. Bavo Kathedrale und der St. Nikolaus Kirche. Mitten im Zentrum gelegen, hat man nach dem Erklimmen der Turmspitze anscheinend einen wunderbaren Rundblick über die historische Altstadt von Gent, was wir allerdings aufgrund des einsetzenden Regens dann doch nicht auf seine Richtigkeit hin überprüften.

Die drei Türme am Kornmarkt

Unweit vom Korenmarkt und direkt gegenüber vom historischen Rathaus entdeckten wir stattdessen den Sint Jorishof. Eine Genter Schützenzunft, die die Stadt verteidigte und hin und wieder mit den Grafen von Flandern in den Krieg zog, ließ das Gebäude im 15. Jahrhundert errichten. Heute befindet sich in den historischen Mauern die Brasserie „Cour Saint-Georges“, die mit einer ausgefallenen Inneneinrichtung und einem hervorragenden Kaffeegedeck aufwartet. Besonders sehenswert ist das Séparée im ersten Stock sowie die Toiletten, die sich ebenfalls dort befinden. Wir gönnen uns hier eine Waffel, die uns jedoch nicht vollends überzeugt. Wesentlich besser gefällt uns hingegen das Tatar, das der Kellner während unseres Aufenthalts am Nachbartisch serviert – das muss jedoch leider bis zu unserem nächsten Besuch warten.

Kaminzimmer im Sint Jorishof

Nicht nur am Freitag sehenswert – der Vrijdagmarkt

Gut gestärkt ging es weiter zum Vrijdagmarkt. Jeden Freitag findet hier von 9 bis 13 Uhr der namensgebende Wochenmarkt statt. Wir hatten stattdessen freie Sicht auf die vielen schönen Fassaden und Giebeldächer der Geldhäuser, die den Platz an allen vier Seiten einrahmen. Mitten auf dem Platz steht eine große Statue des 1290 in Gent geborenen Jacob Van Artelvelde, dessen ausgestreckter Arm in Richtung England zeigt. Van Artefelde wurde zum Helden und einem der bedeutendsten Bürger der Stadt, als es ihm während des Hundertjährigen Krieges im 14. Jahrhundert gelang, den Boykott der englischen Wolleinfuhren aufzuheben. „Het Toreken“, das Eckhaus mit dem Türmchen aus dem 15. Jahrhundert ist eines der ältesten Gebäude am Platz. Es ist das einzige Haus, das noch von den Hinrichtungen durch Scheiterhaufen und Fallbeile zeugt, die auf diesem Platz noch bis ins Jahr 1863 hinein vollstreckt wurden.

Sehen und gesehen werden – Graslei und Korenlei

Nur eine schmale Gasse vom Vrijdagmarkt entfernt, werden die beiden Straßen rechts und links vom Ufer der Leie von den Einheimischen nicht zu Unrecht oft als das pulsierende Herz der Innenstadt von Gent bezeichnet. Entlang des Kanals versammeln sich die schönsten historischen Fassaden der Stadt. Ausflugsboote kommen vorbei, auf denen sich die Stadt auch vom Wasser aus erkunden lässt. Die denkmalgeschützten Hafenhäuser und mittelalterlichen Gebäude spiegeln sich im Wasser und sind ein beliebtes Fotomotiv. Auch wir können es uns nicht verkneifen, das ein oder andere Foto zu schießen. Die vielen Cafés und Restaurants an der Uferpromenade sind bei jung und alt ein beliebter Treffpunkt und eignen sich auch, um dem Treiben an Land und auf dem Wasser zuzusehen und die Seele ein bisschen baumeln zu lassen.

Blick auf das Brauhaus am Ufer

Wer nach Gent kommt, muss nach Aussagen der offiziellen Tourismusseite der Stadt auch mindestens einmal an einem Imbiss (auf Belgisch “Frietkot”) eine Portion Pommes gegessen haben. In Gent bestellt man klassischerweise eine große Portion mit Hascheesauce und Mayonnaise. Kurz vor der Burg gibt es auf der rechten Seite die Frituur de Kraanlei, wo wir es uns nicht nehmen lassen, auch einmal die original belgischen Pommes zu probieren.

Pommes mit Mayo

Burg Gravensteen – die Burg der Grafen

Der Korenlei weiter folgend, stehen wir unvermittelt vor der Grafenburg, die hier schon seit über 800 Jahren das Zentrum von Gent markiert. Seither durchlebte die Burg eine bewegte Geschichte. Immer wieder wurde das steinerne Gebäude erweitert und die Verteidigungssysteme verbessert.  In Folge der industriellen Revolution wurde die Burg im 18. Jahrhundert dann verkauft und zeitweilig als Baumwollfabrik genutzt. Als die Burg immer mehr zerfiel und im 19. Jahrhundert schließlich abgerissen werden sollte, kaufte die Stadt Gent die Burg zurück. In den 80er Jahren wurde die Burg anlässlich der 800 Jahr-Feier der Stadt aufwendig saniert.

Eingang Burg Grafenstein

Heute kann die vollständig erhaltene Wasserburg für einen Obolus von jedermann besichtigt werden. Besonders sehenswert sind dabei das Schlosstor, die Schlossmauer und die Pferdeställe. Außerdem beherbergt die Burg auch ein Foltermuseum mit verschiedenen Folterinstrumenten aus früheren Jahrhunderten. Wir persönlich können uns die Burg aufgrund der begrenzten Zeit leider nur von Außen anschauen, nehmen uns aber vor, das bei unserem nächsten Besuch in Gent auf jeden Fall nachzuholen.

Wassergraben im Winter

Alternativ sehenswert: Die Street Art Szene von Gent

Dass es in Gent eine ausgeprägte Street Art Szene geben muss, haben wir schon auf dem Weg in die Innenstadt gemerkt, als wir an mehreren mit Graffiti geschmückten Häuserfasaden vorbei kamen. Was uns dann aber doch überrascht: Mit der “Werregarenstraat” hat Gent sogar eine richtige Graffitigasse. Links und rechts sind die kompletten Hauswände mit Streetart-Kunstwerken übersät. Ein Besuch der wohl außergewöhnlichsten Gasse im ganzen Stadtgebiet lohnt sich nicht nur aufgrund der vielen Fotomotive, sondern auch deshalb, weil es gut sein kann, dass man dabei einem Künstler bei der Arbeit zusehen kann. Das ist auch der Grund dafür, warum die Straße immer wieder ihr Aussehen verändert und damit bei jedem Besuch von neuem überrascht.

Blick in die Streetartgasse

Für eure eigene Erkundung der Street-Art-Szene hat die Tourismusgesellschaft der Stadt Gent eine Karte mit je einem Rundgang sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad erstellt, die ihr euch kostenlos (leider nur auf Englisch) im Internet herunterladen und dann am heimischen Drucker ausdrucken könnt.

Blick auf eine Streetart Figur

unser Fazit – Gent ist eine Reise wert

Auch wenn es nur ein kurzer Besuch war Gent hat uns auf jeden Fall beeindruckt. Die Stadt pulsiert selbst an einem Sonntag Nachmittag im Frühjahr und empfängt seine Gäste mit mittelalterlichem Charme und moderner Lebensfreude. Wir werden sicher noch einmal wieder kommen, um tiefer in die bewegende Geschichte einzutauchen.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert